Dichteschätzung von Heterodera schachtii Populationen mit hyperspektralen Sensoren auf einer biologischen Zeitskala




Was ist die grundlegende Fragestellung des ganzen Projekts? Gelingt es einzig und allein, ohne weitere Vorinformationen, nur aufgrund einer hyperspektralen Messung im Zuckerrübenbestand wenigstens eine angenäherte Kenngröße für eine Nematodenpopulation zu erstellen?

Zur Lösung dieser Fragestellungen werden die in diesem Projekt entwickelten Komponenten miteinander verknüpft. Auf der Basis hyperspektraler Informationen und multivariater Verfahren wie Diskriminanzanalysen (DA) und Allgemeines lineares Modellieren (ALM) wurde bisher untersucht, wie aus hyperspektralen Signaturen des oberirdischen Blattbestands Informationen über den bodenbürtigen Schädling abgeleitet werden können. Aufgrund der multiplen Wechselwirkungen innerhalb des Systems wird die Zielgröße Eier &Larven/100 ml Boden im hyperspektralen Signal von mehreren übergeordneten Faktoren maskiert und ist tatsächlich sowohl in den zugrundeliegenden Labor- als auch Feldversuchen, trotz sehr hoher Populationsdichten, nur schwach ausgeprägt. Zu diesen übergeordneten Faktoren zählen Sortenwahl, Jahreffekt (Witterung) und Messzeitpunkt in der Vegetationsperiode. Während der Sorteneffekt erst mal durch die Sortenwahl vorgegeben ist, lässt sich der Witterungs- und zeitliche Messeffekt mit Hilfe des hier vorgestellten Wirt-Parasit Modells ausgleichen. Dazu wird das Modellverhalten des Lesliemodells nicht auf der realen Zeit dargestellt, sondern auf Basis der Biologischen Zeit (BZ), abgeleitet aus den Temperaturresponsefunktionen des Wirtes (Abb. 1, 2 unten) und der Nematodenentwicklung (als Annäherung kann man auch die Temperatursumme zu Basis 8 nehmen). Mit Hilfe der Normalisierung lassen sich die Ergebnisse aller Jahre auf der biologischen Zeitskala zusammenfassen, bzw. eine standardisierte Nematodendynamik erstellen (Abb. 1, 2 oben). Das hat nicht nur den beachtlichen Vorteil der Vergleichbarkeit mehrerer Jahre, sondern bietet auch die Möglichkeit, für die Auswertung alle Datensätze aus den vorhandenen vier Jahren des Feldversuchs gemeinsam zu verwenden. Erst damit wird ein ausreichender Datensatz für die Erstellung eines allgemeinen Modells geschaffen, mit dem man das schwache hyperspektrale Signal des Nematoden in eine numerische Größe umwandeln kann. Schon bei der Analyse der Feldversuche hatte sich gezeigt, dass es vom Messzeitpunkt abhängt, ob ein Zusammenhang zwischen Pi und hyperspektraler Signatur erstellt werden kann. Dieser Zeitpunkt variierte Jahr für Jahr. Das führt zu der Schlussfolgerung, dass nicht Pi vor Saat ausschlaggebend ist, sondern die aktuelle Anzahl von Nematoden in der Wirtspflanze zum Messzeitpunkt (Ist eigentlich offensichtlich logisch, aber die Bezugsgröße "Nematoden in der Pflanze" ist in der Regel unbekannt). Anhand des Lesliemodells lässt sich diese Größe zu jedem Zeitpunkt ableiten. Auch wenn es sich um einen simulierten Wert handelt, der nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun hat, so ist dieser synthetische Wert jederzeit wiederholbar und lässt sich in Bezug zum hyperspektralen Signal setzen. Man nutzt das Modell in Form einer Kalibrierung für die hyperspektrale Information.


Die Transformation ergab für das Wirt-Parasit Modell folgende Funktionsverläufe bei einen PI-Wert von 1000 E&L/100 ml Boden. Die Punkte repräsentieren die Termine der Hyperspektralmessungen für jedes Jahr: Im unteren Chart von Abb. 1 & 2 sind die Trajektorien des Zuckerrübenbestandes (Einheit Green Area Index, GAI) dargestellt, wie er sich aus den Temperaturverläufen der Jahre 2011 bis 2014 ergibt. (Unter der Annahme einer einheitlichen Saat nach Ablauf einer Temperatursumme von 60 TS8). Die Populationsdynamik des Nematoden auf Basis des Lesliemodells verhält sich ähnlich. Bis zu einer Biologischen Zeit von 60 ist die Entwicklung abhängig von der Temperatur, d.h. es lässt sich ein standardisierter Verlauf der Nematodenentwicklung darstellen (Abb. 1, 2 oben). Erst zu Ende der Vegetationsperiode (BZ >60) ist der massive Populationsaufbau eine Funktion des Wirtes und nicht mehr nur der Temperatur. Man kann zwischen der Dynamik aller Nematodenstadien (Abb. 1) und dem Verlauf der Zystenentwicklung unterscheiden (Abb. 2). Auf der Basis des Lesliemodells ergeben sich drei Zeitpunkte, die relevant für Hyperspektralmessungen sein können. Bei einer BZ von ~35, entsprechend der Entwicklung der J3 Stadien in der Wurzel (Abb. 1), bei einer BZ von ~50, wo ein temporäres Maximum für Zysten in der Wurzel vorliegt (Abb. 2) und bei BZ von ~60, ein weiteres Maximum über alle Stadien (Abb. 1). Tatsächlich ist es sowohl bei einer BZ von 35 als auch 60 nicht gelungen, den linearen Zusammenhang von hyperspektraler Signatur zu Nematodenstadien zu erstellen. Einzig bei einer BZ um die 50 approximiert das Verfahren mit einer akzeptablen Güte (Abb. 3), d.h. dem hyperspektralen Signal kann eine gewisse Anzahl (simulierter) Zysten zugeordnet werden, wie sie anhand der Temperaturdaten von 2011 bis 2014 zu erwarten gewesen wären. Die resultierende Funktion ist in der folgenden Tabelle dargestellt:
Konstante | A | B1 | AC1 | BC1 | AL1 | BE1 | B2 | AC2 | BC2 | AL2 | BE2 | B3 | AC3 | BC3 | AL3 | BE3 | B4 | AC3 | AL4 |
-3391.25 | 287.05 | -3.78 | 11.17 | 6.3 | 4.39 | 1526.5 | -1.56 | -0.96 | -38.3 | 9.04 | -172.4 | 3.37 | 1.01 | 1.017 | 1.98 | -0.12 | 145.03 | -2.11 | 5.70 |
Zur Erläuterung der Modellparameter AC1, BC1, ... etc. und wie diese geschätzt werden, verweisen wir auf
das übergeordnete Projekt der
Auswertung hyperspektraler Reflexionsdaten




Versuchsparzelle in 2013 mit 4000 E&L/100 ml Boden


zur Saat Zuckerrübe
Es sei noch mal auf das Kapitel "Bildanalyse" hingewiesen. Eine auf die Wellenlängenspezifität der Cubert Kamera leicht abgeänderte Version des obigen Transformationsvektors ermöglicht aus einem hyperspektralem Luftbild einer Versuchsparzelle (Abb. 6a) die Zystenschätzung (Abb. 6b). Daraus lässt sich wiederum die Verteilung der ursprünglichen E&L zur Saat Zuckerrübe herleiten (Abb. 6c). Es kommt auf den Wirtschaftswegen zu numerischen Artefakten des ALM Ansatzes, der Bereich ist zu ignorieren. Natürlich gibt es keinen Beweis für die dargestellte räumliche Verteilung, aber es werden relativ hohe Zystenzahlen, bzw. E&L geschätzt, welche mit den Bodenproben der Parzelle von über 4000 E&L/ 100 ml Boden korrespondieren.
Resümee
Ja, es funktioniert, und das ist das wirklich Spannende. Zum richtigen Messzeitpunkt kann die
zugrundeliegende Nematodenpopulation anhand einer oberirdischen
Hyperspektralmessung quantifiziert werden. Die Fehlerquote ist sicherlich hoch
(wie immer in der Nematologie), aber bestimmt nicht viel größer als bei den auf
Bodenproben basierten Entscheidungen. Für den aktuellen Zuckerrübenbestand
sind natürlich keine Gegenmaßnahmen mehr möglich, aber es geht im integrierten
Nematodenmanagement prinzipiell um die Langfristigkeit und Nachhaltigkeit einer Kontrolle. Ähnlich wie auf den ursprünglichen Pi
Wert zurückgerechnet werden kann, kann ebenfalls nach vorne prognostiziert werden, vom Pf bis hin zum Pi zur nächsten Saat
Zuckerrübe. Es wird mit dem hier vorgestellten Konzept ein komplettes System zur H. schachtii Kontrolle
implementiert. Natürlich ist das
Wirt-Parasit-Modell nicht perfekt und spiegelt sicherlich nur zum Teil eine Form
der Realität wieder, aber (erst) die kombinierte Anwendung beider Modelltypen ergibt
einen möglichen, vielleicht auch
hypothetischen Populationswert zu einer Zeit, wenn die hyperspektralen
Signale auf den Einfluss der Nematoden in der Pflanze mit strukturellen Änderungen
im Signal reagieren. Das es sich zu diesem Zeitpunkt anhand des Modells auch noch um ein temporäres
Zystenmaximum in der Pflanze handelt, ist mehr als plausibel. Die Komplexität und Intensität, wie
weibliche Larven, bzw. Zysten der Wirtspflanze Energie für die Produktion von
Eiern entziehen, lässt vermuten, dass dieser Energietransfer in der Pflanzen zu
Änderungen in der Signatur führen. Der Prozess war Bestandteil der
zugrundeliegenden Arbeitshypothese für das Projekt. Anhand des Verhalten des
Wirt-Parasit Modells wurde dieser Zeitpunkt bei
einer BZ von 35 erwartet. Zu diesem Zeitpunkt ließen sich aus den Spektren
aber keine sinnvolle Strukturen ableiten, die den Nematoden in der Pflanze zuzuordnen
wären.
Es wird hier eine Technik vorgestellt, die anhand von Daten in Verbindung
mit den Temperaturszenarien aus dem
Rheinland entwickelt wurde. Auch wenn eine allgemeine Übertragbarkeit immer das
Ziel sein sollte, sind diesbezüglich sicherlich weitere Untersuchungen notwendig.
Eine weitere Empfehlung zum Abschluss des Projekts:
Neben dem geeigneten Zeitpunkt ist es ratsam, die Hyperspektralmessungen
nur im stehenden Bestand durchzuführen und nicht bei vorhandenen Welken, bzw.
Wasserstress, wenn die
Blätter schon am Boden liegen. Die veränderten Reflexionen der flachen
Blätter und die Hintergrundstreuung des Bodens würde den bekanntermaßen schwachen Nematodeneffekt
wieder maskieren.
Die Hyperspektraldaten wurden im Rahmen eines von Nemaplot initiierten und EU finanzierten Projekts am JKI Elsdorf erhoben (EU-Förder Nr.: z1011bc001a)