Nemaplot Hyperspektraldaten Analyse und PopulationsmodelleEvaluation reinvented

 

Exkurs: Einfluss der Klimaveränderung auf Heterodera schachtii Populationen

Nematodenbedingte Welken im Feld
Nematodennest
Wachstumsdepressionen durch H. schachtii
Heterodera schachtii Zysten, Eier, Larven
heutige Zuckerrübenbestände mit H. schachtii

Simulationen der kommenden Jahrzehnte

Die Anwendung des Lesliemodells auf Daten von 2011 bis 2014 (Standort Elsdorf, Rheinland, 50°56'21N, 6°33'48E) zur Analyse von Hyperspektraldaten hat gezeigt, dass a) die jährlichen Temperatursummen (zur Basis 8 °C, TS8) wesentlich höher als für den Entwicklungszeitraum (1971-1992) sind, und b) die Vermehrungsraten des Nematoden überproportional zugenommen haben, entsprechend der Dynamiken, die früher als seltenes Ereignis, z.B. 1983, stattgefunden haben. Daraus ergibt sich die Frage, in welche Richtung, bzw. in welcher Größenordnung sich die Nematodendynamik zukünftig entwickeln könnte. Das PIK1 hat diesbezüglich einen für den Zuckerrübenstandort Elsdorf interpolierten Temperaturdatensatz von 1901 bis 2100 zur Verfügung gestellt. Es wurde bewusst ein moderates Klimaszenario gewählt. Der aktuelle Modellentwicklungsstand wurde beibehalten, d.h. es wird ausschließlich die temperaturbedingte Änderung berücksichtigt. Das Nematodenmodell wurde für alle Jahre mit einer Population (Pi) von 1000 E&L/100 ml Boden gestartet, ein Pi, bei dem die bekannten Dichteeffekte nicht im Vordergrund stehen.

Temperatursummen von 1902 bis 2100
Abb. 1: Temperatursummen °C (TS8) von 1902 bis 2100

Temperatursummen °C (TS8)

Die besondere Eigenschaft des zugrundliegenden Lesliemodells ist die Ausrichtung nach dem spezifischen Temperaturmuster eines Jahres, d.h. maßgeblich der Zeitpunkt  bestimmter Temperaturen während der Vegetationsperiode ist von Bedeutung. Für die Darstellung des langfristigen Trend ist die Verwendung der Temperatursumme TS8 besser geeignet. Die Aufsummierung der Temperatur (Tagesmitteltemperatur) erfolgt immer vom 1.3. bis 31.10. eines Jahres. Der Modellstart (simulierte Zuckerrübensaat) erfolgt, wenn TS8 einen Wert von 60 °C überschritten hat. Auch wenn TS8 über die Jahre einen Anstieg aufweist (Abb. 1), ist folgende Betrachtungsweise wesentlich wichtiger: in der Regel sind liegen die Temperatursummen im Bereich von 1200°C bis 1600°C, was aus nematologischer Sicht bei gegebenem Pi-Wert einer Vermehrungsrate von 2 bis 5 entspricht. Zur Orientierung, diese Vermehrungsraten entsprechen ungefähr den Gleichgewichtsdichten, wo H.schachtii durch 2-gliedrige Fruchtfolgen mit Zwischenfrucht oder 3- gliedrige Fruchtfolgen auf ein Niveau eingependelt werden, die bzgl. der möglichen Verluste gerade noch tolerabel sind (siehe auch Abb. 5). Im Intervall bis zum Jahr 2000 treten vereinzelt wesentlich höhere TS8 °C auf, aber mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als im Vergleich zum aktuellen Jahrhundert. In Bezug auf die Nematodenrelevanz kann man die 200 Jahre in vier Perioden einteilen: P1 entspricht den Jahren 1902-2000; P2 = 2001-2020; P3 = 2021-2050, und zuletzt P4 = 2051-2100;

2. Zystenentwicklung von H. schachtii

Zystenentwicklung von H. schachtii von 1902-2000
Abb. 2a: Simulierte Zystendynamik von 1902-2000

Zystenentwicklung von H. schachtii von 2001-2020
Abb. 2b: Simulierte Zystendynamik von 2001-2020

Zystenentwicklung von H. schachtii von 2021-2050
Abb. 2c: Simulierte Zystenendynamik von 2021-2050

Zystenentwicklung von H. schachtii 2051-2100
Abb. 2d: Simulierte Zystendynamik von 2051-2100

Auch wenn die Temperatur natürlich die gesamte Nematoden-Zuckerrüben-Interaktion beeinflusst, beschränkt sich die Darstellung auf die Zystenentwicklung, insbesondere zu Ende der Vegetationsperiode, da damit die Pi Werte zur nächsten Saat Zuckerrübe definiert werden.


Für weiterführende Hintergrundinformationen bzgl. aller Stadien und der Zuckerrübe im Zusammenhang mit den veränderten Temperaturbedingungen wird auf den entsprechenden Link verwiesen back

In Abb. 2 sind die einzelnen Perioden (P1-P4) dem allgemeinen Mittel aus 200 Jahren (und wie immer mit den 95%igen Konfidenzbereichen) gegenübergestellt. Dargestellt sind sowohl die Quantile auf der Zeitachse als auch auf der y-Achse. Unabhängig welche Periode man betrachtet, gegen Ende der Vegetationsperiode wird eine mittlere Zystenpopulation aufgebaut, die im Bereich von 150-200 Zysten/100 ml Boden liegt (grüne Linie, Abb. 2a-d). Für P1 zeigt sich ein verzögerter Beginn im Vergleich zum Allgemeinmittel, auch die oberen Extreme werden nicht erreicht, aber vereinzelt werden Dichten von 800 Zysten und mehr erreicht (Abb. 2a, gelber Bereich). P2 entspricht von der Streuung her so angenähert dem allgemeinen Mittel, aber es werden dann doch mehr Zysten als der Durchschnitt produziert (gelbe Linie, Abb. 2b). D.h. es treten in P2 häufiger Extremereignissen auf. In P3 „beruhigt“ sich das System ein wenig, es treten zwar weiterhin extreme Vermehrungsraten auf, aber nicht in der Häufigkeit wie in P2. In P4 nimmt das System dann wieder Fahrt auf. Sowohl die Zystenentwicklung tritt in den Extremen früher auf, als auch das obere Quantil wird überschritten. Im Mittel ist ebenfalls ein Anstieg festzustellen, wiederum bedingt durch eine erhöhte Häufigkeit von extremen Temperatursituationen.

2. Simulierte Pf-Werte von H. schachtii

Pf Werte von Heterodera schachtii Zysten von 1902 bis 2100
Abb. 3a: Simulierte Pf-Werte (Zysten) von 1902-2100 bei einem Pi Wert von 1000 E&L
Pf Werte von Heterodera schachtii E&L von 1902-2100
Abb. 3b: Simulierte Pf Werte (E&L) von 1902-2100 bei einem Pi Wert von 1000 E&L

Abb. 3 a bzw. b fasst die bisherigen Ausführungen zusammen. Die simulierten Vermehrungsraten sind einerseits in Anzahl der Zysten und als E&L/100 ml Boden. (Modellintern ist der Unterschied einfach ein Faktor von 24, daher das gleiche Erscheinungsbild bei unterschiedlicher Skalierung der y-Achse). Wie zu ersehen ist, kommt es und es ist schon früher zu außergewöhnlichen Vermehrungsraten gekommen. Während es sich in P1 tatsächlich um ein seltenes Ereignis handelt, treten gerade in P2 gehäuft Temperaturbedingungen auf, die zu einem massiven Populationsanstieg führen. Die in Abb. 3 dargestellten absoluten Populationsdichten mögen zwar angezweifelt werden, aber ein relativer Bezug über die Zeit ist nicht zu verkennen. Auch wenn sich die Abbauraten unter Nichtwirten eventuell ebenfalls temperaturbedingt erhöhen werden, so ist mit zunehmender Häufigkeit von auftretenden Extremereignissen ein nachhaltiger Populationsaufbau zu erwarten, mit fruchtfolgespezifischen Verseuchungsdichten, die zur Limitierung des Rübenanbaus führen können.

3. Vermehrungsraten von H. schachtii bei steigenden Temperatursummen

Pf/Pi Verhältnis Zysten anhand der Temperatursummen
Abb. 4a: Simulierte Zystenvermehrung anhand der Temperatursummen


Pf/PI Verhältnis E&L anhand der Temperatursummen
Abb. 4b: Pf/Pi Verhältnis anhand der Temperatursummen


Pf/Pi Verhältnis anahnd Regression Linear - Plateau Modell
Fig. 4c: Angepasstes Linear - Plateau Modell an die Pf/Pi Daten mit folgenden Parameterwerten: Untere Asymptote = 2.4; Steigung ~ 0.1; kritische Grenze TS8 = 1618 °C


Im abschließenden Vergleich von (simulierten) Vermehrungsraten und den auftretenden TS8 ergibt sich ein interessantes Phänomen. Bis zu einer TS von 1500/1600°C ist die oben schon beschriebene Vermehrungsrate von 2-5 zu beobachten (Abb. 4 a,b). Also die Rate, die noch grenzwertig toleriert werden kann. Ab 1600°C wird die Streuung größer, das Pf/Pi Verhältnis steigt schon mal auf 7-10. Ab 1700°C steigt das Verhältnis am oberen Ende überproportional auf 20 an, mit noch höheren Temperatursummen sind Vermehrungsraten von 40 möglich. Alles Dichten, die vorerst unrealistisch erscheinen, aber auf die eine oder andere Art schon aufgetreten sind. Um die Größenordnung in statistischen Parametern darstellen zu können, wurde ein sogenanntes "Linear - Plateau Modell" an die Daten angepasst (Abb. 4c). Die Modellanwendung erlaubt es die Parameter im Einzelnen zu quantifizieren: Die TS-Grenze liegt daher im Bereich von ~1618 °C, unterhalb dieses Wertes existieren durchschnittliche Vermehrungsraten von 2.4 bei gegebener Ausgangsverseuchung von 1000 E&L/100 ml Boden, oberhalb der kritischen Temperatursumme steigt der Multiplikationsfaktor um 1 mit jeder Erhöhung der Temperatursumme um 10°C. Ein kleiner Nebeneffekt der Darstellung von Abb. 4: die Stochastik des zugrundeliegenden Lesliemodells bei einem Startwert ist mehr als spannend, hier kommt wieder das Temperaturmuster eines Jahres zum Tragen.

4. Prognostizierte Pi Werte von H. schachtii zur nächsten Saat Zuckerrübe bei gegebenen Temperatursummen und einer dreigliedrigen Standardfruchtfolge

Pi Werte nach einer 3-gliedrigen Fruchtfolge
Abb. 5a: Pi-Werte nach 3 Jahren bei gegebenen Temperatursummen
Pi Werte nach einer 3-gliedrigen Fruchtfolge
Abb. 5b: Pi-Werte (log-Transformation) nach 3 Jahren bei gegebenen Temperatursummen

Es sei nochmals erwähnt, es sind keine zusätzlichen Limitierungen im Modell implementiert, die eventuelle Restriktionen bei höheren Temperaturen berücksichtigen. Daher sind Zweifel an der absoluten Höhe der Pf-Werte durchaus angebracht. Aber der dargestellte Multiplikationseffekt bei Überschreitung einer kritischen Temperatursummenschwelle existiert und führt zu Populationsdichten, die bei der Verwendung von anfälligen Sorten im klassischen Sinne nur durch weitgestellte Fruchtfolgen wieder unter Kontrolle gebracht werden können. Wie sich das Verhältnis in einer dreigliedrigen Fruchtfolge auswirkt, ist in Abb. 5a (absolute Werte) und 5b (logarithmisch transformiert) dargestellt. In letztere Darstellung lassen sich die relativen Pi-Werte zur nächsten Saat Zuckerrübe (Jahr 3) übersichtlicher darstellen. Bei einer gegeben Ausgangspopulation von 1000 E&L/100 ml Boden nimmt die Population bei Temperatursummen bis 1500°C im Mittel ab, d.h. die langfristige Gleichgewichtsdichte pendelt sich im Mittel unterhalb der 1000 E&L ein (grüne und lila Linie). Im Temperaturintervall von 1500-1700°C werden die Pi Werte im Jahr 3 im Mittel bei 1200 E&L liegen, d.h. die fruchtfolgespezifische Verseuchungsdichte sich langfristig erhöhen wird (rote Linie). Interessanter aber ist wieder mal die Streuung. Auch bei diesen TS8 kann im schlechtesten Fall der Pi Werte bei 5000 E&L liegen, im günstigsten Fall bricht die Population völlig zusammen (400 E&L). Oberhalb der kritischen Grenze von 1700 °C sind im Mittel 5000 E&L zur nächsten Saat ZR zu erwarten (gelbe Linie). Die ("alte") wirtschaftliche Schadensschwelle ist um den Faktor 10 überschritten. Natürlich ist auch hier die Streuung hoch und reicht von 1400 bis 10000 E&L. Selbst wenn man einen Toleranzfehler von 50% annimmt, sind im Mittel Dichten erreicht, die den zukünftigen Anbau von anfälligen Sorten bei gegebenen Produktionsbedingungen schwierig machen. Für die Verwendung von resistenten oder toleranten Sorten wird vermutet, dass bei solchen Dichten der Selektionsdruck zunimmt und resistenzbrechende H. schachtii - Rassen gefördert werden.

Schlussbemerkung:

Die Modellergebnisse mit den gegebenen Temperaturszenarien von 2001 bis 2020 prognostizieren einen signifikanten Anstieg der Nematodenpopulationen mit einem nachhaltigen Effekt für den Zuckerrübenanbau. Es ist momentan nicht bekannt, ob dieser Effekt tatsächlich eingetreten ist. 2.) Mit diesen Ausführungen soll sich auf keinen Fall in die Riege der Klimawarner eingereiht werden und ein weiterer Punkt in der endlosen Diskussion hervorgehoben werden. Der Klimawechsel ist sowieso unvermeidbar.

1 Klimadaten wurden zur Verfügung gestellt von Dr. Thomas Kartschall, Potsdam Institut für Klimaforschung, PIK, Deutschland

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