Phänotypisierung & Zuchtwertschätzung
Die hier vorgestellten Verfahren eignen sich ebenfalls für die Erkennung von
züchterischen Merkmalen und kann für frühzeitige Selektionsprozesse in der
Pflanzenzüchtung verwendet werden. Über die kanonischen Distanzen lassen sich sowohl der Versuchsfaktor (hier ein induzierter
Stress) als auch die genetische Ähnlichkeit im Vergleich zur Kontrolle darstellen.
Beispiel: In einem Gewächshausversuch mit mehr als 800 Pflanzen wurden mehr als
50 Zuchtlinien inklusive der Kontrolle (jeweils in mehrfacher Wiederholung)
einem mittleren Stress ausgesetzt. Die hyperspektralen Signaturen der Pflanzen wurden mit Hilfe der
Plant Probe innerhalb eines Tages erfasst. Die Pflanzen waren in der Mitte der
Entwicklung, aber leichte stress- und zeitbedingte Seneszenzerscheinungen waren
zu beobachten.
Die einzelnen Scores der Diskriminanzanalyse weisen, wie üblich, eine hohe Varianz auf, aber sowohl der mittlere Stresseffekt
(X-Achse) als auch der
Züchtungseffekt (Y-Achse) sind signifikant und lassen sich darstellen. Es zeigt sich eine deutliche
Genotyp/Stressinteraktion. In der stressfreien Variante unterscheidet sich das
Mittel der erzeugten Linien von der Kontrolle (Distanz von blauem zu rotem Punkt
in der "No stress" Hälfte der Diskriminanzebene), in der Stressvariante überlagert der
Stressfaktor den genetischen Effekt.
Die kanonische Distanz für die Kontrollsorte ergab einen Wert von 3 (von -1.5 bis +1.5, absolut gesehen ein schon stärker ausgeprägter Stress), d.h. dieser Wert definiert als Standard für diesen spezifischen Versuch die Intensität des induzierten Stresses und den Vergleichsrahmen für mögliche Zuchtwertkandidaten der neuen Linien. Dieser Wert lässt sich als Vektor auf der horizontalen Achse der kanonischen Diskriminanzebene als Nullvektor darstellen (Schwarzer Pfeil), die Distanzen der Neuzüchtung werden relativ zur Leistung der Kontrolle in der Ebene rotiert dargestellt. Dabei lässt sich folgendes Muster beobachten: Die Mehrheit der Linienvektoren, die sich nicht von der Kontrolle unterscheiden, liegen auf der Diskriminanzebene in einem Bereich der durch die Distanzkreisfläche der Kontrolle definiert ist (s. Abb. rechts). Oder anders herum, Linienvektoren die nicht zu diesem inneren Kreis gehören, bzw. deren Start- und Endpunkte "weit" außerhalb des Kreises liegen sind signifikant von der Kontrolle verschieden. D.h. heißt nicht notwendigerweise, dass es sich um züchterische Fortschritte handelt (s.u.)
Für eine intensivere Ausarbeitung der hyperspektralen Signaturen, der statistischen Parameter und Ableitungen für den Einsatz in der Züchtung und Phänologie folgen Sie dem weiterführenden Link ... mehr
Tatsächlich hat sich als empirisches Ergebnis herausgestellt, dass man auf der Kreisfläche einen Vertrauens- oder Interessensradius definieren kann, der die für die weiterführenden Kreuzungen interessanten Linien hinsichtlich des Zuchtziels der Stressresistenz enthält. 1) der Stressvektor muss natürlich kleiner sein als der der Kontrolle und 2) die genetische Distanz sollte sich innerhalb des in der Abbildung rechts befindlichen grünen Vertrauensbereich bewegen. Positionen innerhalb des Kreises sind nicht verschieden von der Kontrolle ( i.d.R. sind dann auch die Stressdistanzen nicht kleiner, sondern ähnlich der Kontrolle). Linien deren Vektorpositionen außerhalb des Vertrauensbereichs liegen, weisen vereinzelt zwar in einigen Merkmalen "Verbesserungen" auf, sind aber in der Regel ein züchterischer Rückschritt, bzw. Abweichler vom phänologischen Idealtyp. Die genetische Distanz ist dann schon so groß, dass es mehrheitlich wieder zu Merkmalsdepressionen kommt. Es wird dabei vermutet, dass die Kontrolle hinsichtlich des Zuchtziel/der Zuchtziele schon ein gewisses Leistungsniveau erreicht hat, so dass der züchterische Leistungszuwachs sich schon im dem Bereich des abnehmenden Grenzzuwachses befindet. Daher erscheinen Linien mit einer zu großen genetischen Distanz suboptimal, ihre Merkmalsleistung ist reduziert.
Die Güte der hier vorgestellten Technik hinsichtlich einer korrekten Entscheidung liegt bei fast 80%.
Da die gewählten Zuchtlinien meistens aufgrund entsprechender QTLs ausgewählt und zur Kreuzung verwendet werden, wird vermutet, dass direkte Korrelationen zwischen den hier ermittelten Parametern und den Linien-QTLs möglich sind.
1Daten erhoben im Rahmen eines Versuches des MPI PZ Köln, Dr. I. Schmalenbach, durchgeführt am Campus Klein Altendorf der Universität Bonn